Vom 30.12.05 bis zum 2.1.06

 

30. Dezember 2005, Freitag

 

Nach etlichen Nachfragen in Deutschland, wann das Verteilergetriebe weggeschickt wurde und Anrufen in der Mercedes-Werkstatt, bekamen wir heute Nachmittag um 15 Uhr Bescheid, dass das Teil da wäre. Den ganzen Tag saßen wir wie auf Kohlen und warteten, wussten auch nicht, ob wir im Hotel bleiben sollten oder nicht. Die Hotelchefin war aber so nett und hat uns das Zimmer einfach gelassen, weil sie sich in unsere Lage versetzt hatte. Überhaupt waren alle hier im Hotel sehr nett und verständnisvoll. Also aßen wir erst mal zu Mittag und um 15 Uhr sind wir dann mit dem Taxi in die Werkstatt gefahren. Die Mechaniker sahen etwas ratlos aus, weil es nicht das gleiche Getriebe war, wie unser ursprüngliches. 

...

 

Mit vereinten Kräften wurde das „neue“ Getriebe schließlich eingebaut und kurz vor 18 Uhr, nach einer Probefahrt, wurde der Hano uns dann als repariert übergeben. Allerdings hörten wir bei der Fahrt zum Hotel (wir haben das Zimmer noch eine Nacht) trotzdem wieder Geräusche, diesmal aus dem vorderen Getriebe.

 

Zwischenzeitlich wurde ich ins Büro von der Mercedes-Niederlassung zitiert um die Rechnung zu begleichen. Wahrscheinlich bin ich ganz weiß im Gesicht geworden... EUR 621,76. Das ist ganz schön happig. 11 Stunden Monteur-Arbeit wurden berechnet.

 

Schließlich haben wir uns einen Parkplatz direkt vor dem Hotel gesucht und uns eine Notration an Nahrungsmitteln mitgenommen, denn das Restaurant ist heute geschlossen, wegen der Sylvester-Vorbereitungen. Wir hätten zwar etwas aufs Zimmer bekommen können, aber muss ja nicht unbedingt sein.

 

Noch was zum Wetter: Es ist heute spiegelglatt draußen. Zu Fuß kann man sich kaum fortbewegen. Komischerweise fühlt es sich im Hano sicherer an...

 

 

31. Dezember 2005, Samstag

 

Wir sind extra um 6 Uhr aufgestanden, um bald aufbrechen zu können. Nachdem wir alles zusammengepackt hatten und einige Male zum Hano gelaufen sind um einzuladen, waren wir soweit. Der Chef war auch schon wach und so konnten wir gleich die Schlüssel übergeben. Wir sind auf einer größeren Straße nicht weit von der Küste Richtung Fécamp gefahren. Es war ziemlich stürmig, aber alles so weit getaut, dass man normal fahren konnte.

 

Tja, nach einer Frühstückspause sind wir dann in Fécamp angekommen und an einer Abzweigung (Einbahnstraße) passierte es dann. Nichts ging mehr. Oli schmiss sich fluchend unters Auto und stellte fest, dass die Werkstatt die Schrauben am Verteilergetriebe nicht ordentlich festgezogen hatte. Das war ja ein dicker Hund! Ein Schweinegeld verlangen und dann pfuschen. Leider kann ich mich in Französisch nicht gut genug ausdrücken um meinen Frust am Telefon loszuwerden. (Brief schreiben!)

 

Wir haben einige Leute genötigt, in der Einbahnstraße wieder umzukehren, da wir alles blockiert hatten. Aber niemand hat sich so richtig aufgeregt. Nach ca. 15 Minuten hatte Oli es so weit repariert, dass wir zu einem Parkplatz in St. Léonard fahren konnten. Ja, und jetzt brauchten wir eine 14er Mutter. Woher nehmen am halben Feiertag???

 

Ich machte mich auf den Weg und fragte einen Verkäufer, der mit seinem Fleischverkaufswagen am Straßenrand gerade jemand bediente. Er schüttelte nur sehr zweifelnd seinen Kopf. Heute, um die Zeit? Kaum zu denken, dass ich irgendwo was finden würde.

 

Schließlich klingelte ich an zwei Türen, aber das war mir dann doch zu blöd. Also bin ich eine halbe Stunde nach Fécamp gelaufen. Dort auf der Hauptstraße fand gerade ein Wasserrohrbruch statt und drei Arbeiter standen knietief im Wasserloch, in einem mannshohen aufgebuddelten Loch. Ich habe mit viel Charme mein Leid geklagt und sogleich sprangen zwei aus dem Schmuddel und gingen zum Einsatzwagen über die Straße. Nach kurzem Suchen bauten sie einfach ein Gerät auseinander, das eigentlich ziemlich neu aussah. Die Schraube war passend, ich überglücklich und die Leute auch sehr erfreut. Mit einem Dankeschön, das ihnen reichte, machte ich mich also wieder auf den Weg den Berg hinauf ins nächste Dorf. Schwitzend und schnaufend angekommen fand ich Oli beim Aufräumen vor. Er baute sofort die Schraube ein und nach kurzer Zeit konnten wir weiter fahren. Das kostet Nerven!!

 

Wir sind dann an LeHavre vorbei gefahren, ich glaube, da haben wir nicht so sehr viel verpasst. Hier sieht man viel die für diese Gegend bekannten Fachwerkhäuser. Viele Orte und Häuser sind hübsch renoviert und sehen wie die Tonhäuser aus, die man bei uns stückweise als Sammelobjekt kaufen kann.

In manchen Orten dürfen wir allerdings auch nicht durchfahren, da wir über 3,5 Tonnen schwer sind.

 

Heute Nacht stehen wir auf einer durchweichten Wiese, die wir erst durch etliche Schlammwege erreicht haben. Ich bin wieder tausend Tode gestorben, ob wir eventuell abrutschen und im Acker landen, etc. etc. Draußen ist es im Moment (ca. 19:30) so um die 5° C warm, im Hanomag sind es etwa 19° C.

 

Die Sylvesterböller habe ich inzwischen schon rausgewühlt, aber da es ziemlich stürmt und regnet, bin ich gespannt, ob da überhaupt was geht.

 

Später gibt es noch mitgebrachten Glühwein und dann kann 2006 kommen. Es kann nur besser werden.

 

Die Daten: N49°19’20,1 W0°30’55,3

6 Stunden Fahrtzeit für 208,78 km. Die Durchschnittgeschwindigkeit betrug 34,7 km/h, bei 83,9 km/h Spitzengeschwindigkeit. Im Moment sind wir 33 m über dem Meeresspiegel, die maximale Höhe heute war 147 m.

 

 

1. Januar 2006, Sonntag

 

Oli liegt unter dem Auto und baut das Splittgetriebe aus. Heute früh hatten wir das gleiche Problem wie gestern. Wir wollten aus dem Acker fahren und beim ersten Anfahren gab es einen heftigen Ruck. Dann ging nichts mehr. Oli hat die Schrauben im aufgeweichten Acker wieder fest gezogen, dann ein erneuter Versuch. Nichts. Wir waren verzweifelt bis schließlich ein Bauer auf seinem Acker Rosenkohl ernten kam. Ich bin hingewatet und er hat uns nach einiger Zeit netterweise bis auf festen Untergrund gezogen. Jetzt herrscht erst einmal Ratlosigkeit. Mit dem ADAC hatten wir ja sowieso schon schlechte Karten und wahrscheinlich ist das Auto zu schwer zum Abschleppen. Jetzt wollte Oli versuchen selber etwas zu basteln und eventuell von Tino ein Ersatzteil geliefert zu bekommen, aber es hapert am vorhandenen Werkzeug. Tino rief auch gleich an und wollte helfen. Oli hat gerade den Fehler gefunden. Eine falsche Mutter auf dem Gewinde, mit Gewalt festgedreht und die hält dann natürlich nicht mehr. Und das Ganze gleich 3 Mal. Pfusch von der Werkstatt. Da Oli eine 36er Nuss gebraucht hätte, ging erst mal nichts mehr. Die war natürlich ausgerechnet nicht eingepackt worden.

 

Den Rest des Tages verbrachen wir wartend im Hano.

 

 

2. Januar 2006, Montag

 

Wir haben heute am englisch-kanadischen Mahnmal übernachtet, an der Stelle, wo uns der Bauer gestern abgesetzt hat. Ich mache mich früh auf, im Rucksack den Flansch und die Mutter, und laufe Richtung St. Croix sur Mer. Wenigstens regnet es heute nicht. Als ich gerade zwei alte Frauen mit dem Traktor wegfahren sehe, halte ich sie an und frage die eine wegen einer passenden Nuss. Die eine zieht mich gleich mit durch ihr Hoftor und in eine alte Werkstatt rein. Dort liegen ebenso verrostete Werkzeuge rum, wie wir sie bei meinen Großeltern noch gefunden hatten. Leider war nichts Passendes dabei. Sie hielt mich wieder für eine Engländerin, weil ich so einen Akzent habe. Das Gleiche hatten wir ja schon im Hotel in Dieppe erlebt.

 

Jetzt begleitete ich sie zum Feld, wohin ihre Schwester bereits vorausgefahren war. Diese lud uns auf ihre rückwärtige Schaufel und wir fuhren gemeinsam das restliche Stück zum Hano. Dort suchten die Damen auf dem Traktor nach einem größeren Schraubenschlüssel, aber kein Erfolg. Schließlich brach die eine wieder zu Fuß zurück zum Dorf auf um Gilles, ihren Neffen zu holen.

 

Inzwischen habe ich mich etwas mit Francoise, der älteren Schwester unterhalten, die mir ein bisschen was über ihre Großfamilie (sie waren 11 Geschwister) erzählte. Sie lebte 20 Jahre mit einem verheirateten Mann zusammen, die andere Schwester war nie verheiratet. Jetzt lebten sie zusammen im Dorf. Ihr Freund arbeitete im Büro einer Gießerei und war an Krebs gestorben.

Jetzt wissen wir auch, dass die Normandie-Bewohner die Bretonen nicht mögen und im ständigen Clinch miteinander liegen. Die Bretonen wollen nur alles nehmen und haben, die „Normannen“ geben viel mehr.

 

Irgendwann während des Tages ist dann auch noch der Türgriff der Fahrertür abgebrochen und der Schlauch am Kühler hat angefangen zu lecken. Ist das jetzt Pech, oder was?

 

Mittlerweile ist auch wieder die Schwester mit Gilles aufgetaucht, der sich sogleich mit unter den Hano legte und alles Mögliche an Gerätschaften ausprobierte, allerdings war keine 36er Nuss dabei. Schließlich legte sich die jüngere Schwester auch noch mit drunter und zog und zerrte heftig mit. Kein Erfolg.

 

Zwischendurch waren auch noch der Sohn und die Tochter da, Schokolade wurde verteilt und gerne genommen. Der Sohn Charly fuhr mehrmals zum Dorf hin und her um irgendwelche Teile herzukarren.

 

Gilles hatte dann den Einfall, dass er seinen Kumpel, der Mechaniker sein sollte, herrufen könnte. Dieser schien immer eine Lösung zu finden für alle möglichen Probleme. Alle anderen verabschiedeten sich nach ca. 4 Stunden und Gilles wartete mit uns auf seinen Freund, damit er weiterhelfen konnte.

 

Er erzählte allerhand von dem Platz, auf dem wir uns gerade befanden: Dies war früher ein riesiger Flugplatz mit Werkstätten und großen Treibstoff-Lagern. Hier sind täglich zig-Mal Flugzeuge gestartet und St. Croix sur Mer war einer der letzten Orte, die 1945 nach 4 jähriger Besatzungszeit von den Alliierten befreit worden ist. Er meinte jedoch, den Bewohnern ging es eigentlich gar nicht so schlecht unter den Deutschen, sie hatten mehr Probleme mit den Alliierten am Ende.

 

Schließlich kam der Mechaniker, ein alter Mann mit etwas kümmerlichem Werkzeug im Kofferraum. Er probierte es auch sofort mit Hammer und Meißel, was der Mutter natürlich nicht sonderlich behagte. Schließlich fuhren die beiden noch mal weg und siehe da, später kam er mit einer passenden Nuss. Jetzt war es kein Problem und Oli konnte die Mutter lösen. Leider hatte der so genannte Mechaniker vorher noch versucht die Kardanwelle aus ihrer Verankerung zu rupfen, was alles nur noch schlimmer macht, denn diese ist gewuchtet und muss immer an der gleichen Stelle bleiben...

 

Dann ist Oli mit dem Mechaniker für einige Stunden verschwunden, weil sie wegen der passenden Schrauben und den zu bohrenden Löchern beratschlagen mussten.

 

Inzwischen flog ein Dreiergeschwader von alten Propellerflugzeugen ständig über meinen Kopf und ich dachte schon, jetzt geht’s wieder los.

 

Oli kam zurück und der Mechaniker erklärte, dass gleich Gilles mit dem Traktor kommt und uns zu seinem Bauernhof mitnimmt, damit wir dort geschützter stehen.

 

Tatsächlich hat uns dann der Bauer abgeschleppt und mit einigem Rangieren haben wir sogar durch die Hofeinfahrt gepasst und wurden in eine Ecke gestellt.

 

Wir wurden mit Wasser versorgt, bekamen einen Stromanschluss und kamen zur Ruhe. Leider mussten wir toilettenmäßig etwas improvisieren...

 

 

Bilder